Michaela Nagl

Agathe von Schwabenau 

Das Schaffen von Agathe Schwabenau (*1) war bis vor einigen Jahren nur wenigen ExpertInnen bekannt. Im Zuge der Arbeiten zum Werk ihres Sohnes Egon Hofmann-Linz im Rahmen einer Diplomarbeit und später für die Ausstellung des Nordico Stadtmuseum Linz wurde zunehmend deutlich, dass auch ihrer Malerei und ihrem Engagement für die Linzer Kulturszene größter Respekt zu zollen ist. 

Agathe von Schwabenau, die jüngste von drei Töchtern des Ehepaares Antonie von Schwabenau, geb. Szerelem und Anton Ferdinand Ritter von Schwabenau, hatte das künstlerische Talent ihrer Mutter, die in jungen Jahren selbst Malerin war, geerbt. 
 Am 23. September 1857 in Ödenburg (Sopron/Ungarn) geboren, wächst sie gemeinsam mit den Schwestern Valerie und Marianne in Ungarn auf dem Familiengut und in Linz, Promenade 25, auf. 

Der Vater nahm in der Verwaltung des Landes als k.k. Vizepräsident der oberösterreichischen Statthalterei eine hohe Position ein. Diese familiäre Grundlage ermöglichte es Frauen im 19. Jahrhundert dem künstlerischen Talent nachzugehen. Bereits als 15-jährige nahm Schwabenau gemeinsam mit Franziska Baernreither an einer Ausstellung über Handarbeiten und Zeichnungen in Linz teil (*2). Ihr Talent wurde von Beginn an gefördert. Ab 1876/77 erhielt sie über 6 Jahre hindurch Unterricht von dem bekannten Wiener Landschaftsmaler Melchior Fritsch, der sie sowohl in Wien als auch in den Monaten der Sommerfrische in Bad Ischl unterrichtete. Die Ausbildung beschränkte sich weitgehend auf das Kopieren alter Meister, was der jungen Künstlerin nicht genügte, sodass sie sich auch eigene Motive in der Natur suchte.

Dieser Privatunterricht wurde nach der Heirat mit Richard Hofmann 1882 beendet. Die nächsten Jahre verbrachte Schwabenau in Kleinmünchen bei Linz auf dem Firmensitz der Industriellenfamilien Löwenfeld & Hofmann. Hier wurden ihre drei Kinder geboren, das Leben drehte sich primär um die Familie und um gelegentliche Besuche von befreundeten Persönlichkeiten. Auch Melchior Fritsch zählte zu den Gästen in Kleinmünchen. Landschaft und Stillleben bestimmen weiterhin ihr Werk (*3). 1894 erfolgte die Übersiedlung nach Linz, wo man ab 1897, nach dem Tod des Firmengründers Adolf Hofmann, das Palais in der Herrenstraße 18 bewohnte. In diesem Umfeld entfaltete Agathe Schwabenau einen Salon mit stark künstlerischer Note, der zu einem zentralen Treffpunkt für die Linzer Gesellschaft wurde. Nach dem Vorbild eines Fotostudios wurde für sie im Gartentrakt des Hauses ein Atelier eingerichtet.

„Es war eben die Zeit, wo man aus Langeweile in Linz sterben konnte“, schreibt Agathe Schwabenau in ihren Erinnerungen (*4) Kulturelle Ereignisse fanden in der Stadt selten statt. Der 1851 gegründete Kunstverein zeigte einmal im Jahr eine kleine Ausstellung in „einigen düsteren“ Zimmern des oberösterreichischen Landhauses. Die Mitglieder finanzierten den Verein und die Produktion von Prämienblättern. Auf Bitte des amtierenden Präsidenten Graf Weissenwolf übernahm Agathe Schwabenau seine Agenden im Vorstand des Kunstvereins und versuchte nach ihren Worten „den Karren aus dem Sumpf zu ziehen“. Gemeinsam mit Dr. Nicoladoni, dem Sekretär des Kunstvereins, nahm der Verein einen Aufschwung und mit der Übersiedlung in drei Räume des 1903 errichteten Volksgartenpavillons konnte auch die Ausstellungssituation wesentlich verbessert werden. Das Ausstellungsprogramm widmete sich in der Folge auch der aktuellen Wiener Kunst wodurch die Linzer Bevölkerung u.a. Werke von Gustav Klimt kennen lernte. 

Auch die Gründung der ersten Malschule weist Agathe Schwabenau als Pionierin der Linzer Kulturarbeit aus. Die leerstehende Wohnung des Kunstvereins, der seit 1895 in sieben Räumen im ersten Stock des Hauses Graben 2 untergebracht war, wird zum Lokal der Schule umfunktioniert. Mit dieser Initiative soll das künstlerische Potential der Stadt gefördert werden. Auf Empfehlung von Adolf Hölzel konnte als Lehrerin die in München ausgebildete Malerin Michaela Pfaffinger (*5) gewonnen werden. Schwabenau nahm am Unterricht teil, wodurch sie abseits ihrer gesellschaftlichen und familiären Verpflichtungen ab dieser Zeit wieder „paarmal in der Woche zwei Stunden malen“ konnte (*6). Nach dem frühen Tod von Pfaffinger 1898 wandte sich Agathe Schwabenau erneut an die Künstlerkolonie in Dachau und konnte Bertha von Tarnóczy, die sie seit ihrer Jugend kannte davon überzeugen, nach Linz zu kommen, um die Malschule zu leiten. Als Pädagogin war diese bedeutende Künstlerin allerdings weniger talentiert und so vertrat Agathe Schwabenau ihre Freundin, wenn diese auf Reisen war, und übernahm weitgehend den organisatorischen Teil der Malschule. „Ich malte bei ihr und in meinem Atelier große Stillleben, wenn es meine freie Zeit gestattete“. Um 1899 unternehmen die beiden mit dem Zug eine Reise nach Dachau. Hier kommt es zur prägenden Begegnung mit Adolf Hölzel, dem berühmten Maler und revolutionären Theoretiker. Eine Einladung nach Linz zu einem Vortrag in der Literatur- und Kunstgesellschaft „Pan“ folgte (*7)
 

Werke von Agathe Schwabenau waren ab 1896 in Ausstellungen des Kunstvereins und im Jänner 1900 in der großen Ausstellung von Tarnóczy und ihren Schülerinnen im Museum zu sehen. Auch 1903 wurden ihre Gemälde und Aquarelle in der Kunstvereinsausstellung in der Presse besprochen und neben Werken von Marie Hold und Rosa Scherer hervorgehoben. Stilleben und Landschaft dominierten das Oeuvre in der ersten Schaffenshälfte. 

Bis 1905 war Agathe Schwabenau Mitglied des oberösterreichischen Kunstvereins. Ihre Tätigkeit im Vorstand wird in den Aufzeichnungen des Vereins nicht erwähnt, in ihren Erinnerungen berichtete sie allerdings „... an Stellungen nahm ich nur Rotkreuz und die Präsidentschaft des Kunstvereines an.“ 
 

1902 lernte sie bei einem ihrer beliebten Salons den damaligen Oberstleutnant Josef Doposcheg-Uhlár kennen. In diesem Kenner der Literatur und Musik fand sie einen verständnisvollen, interessierten Gesprächspartner. Agathe Schwabenau war auch eine ausgezeichnete Pianistin und mit der Musikszene der Stadt bestens vernetzt. (Göllerich, Bruckner) Die Freundschaft zu Doposcheg blieb auch brieflich über Jahre bestehen und war 1905 für Richard Hofmann wohl ein Anlass für die Trennung von seiner Frau. Diese harte Zäsur wird sich für ihre künstlerische Weiterentwicklung als sehr positiv erweisen. Nach der Trennung von Richard Hofmann und ihrer Familie wohnte Agathe Schwabenau vorerst in Wien. Im Oktober 1905 entstanden gezeichnete Ansichten, die den Blick aus dem Hotel Werndl auf die Peterskirche und auf andere Plätze der Stadt zeigen (*8). Im Jänner 1906 stellt sie einen Antrag um Auswanderungsbewilligung und übersiedelt nach München (*9). Erst mit diesem Schritt wird ein gänzlich der Kunst gewidmetes Leben möglich. Im Dezember 1908 heiratet Agathe Schwabenau in Budapest Josef Doposcheg-Uhlár, der zu diesem Zeitpunkt in München Botanik studiert (*10)
Vor Beginn des Ersten Weltkrieges übersiedeln sie nach Partenkirchen in ihr neu gebautes Haus „Villa Silberacker“, Dreitorspitzstr. 31. 


Die künstlerische Entwicklung von Agathe Schwabenau spannt einen Bogen, der von der tonigen Landschaftsmalerei der Mitte des 19. Jahrhunderts („Ungarische Landschaft, 1880) (*11), über Werke, die an Gemälde des Stimmungsimpressionismus erinnern, bis hin zu einer aufgelockerten Malweise des beginnenden 20. Jahrhunderts, reicht. Das Gemälde „Pflanzenstudie“ (1879) (*12) läßt den Vergleich mit den Kraut- und Rüben-Bilder der Wiener Pleinairmalerei zu, wie sie später etwa von Marie Egner („Bauerngarten“ 1907) (*13) bekannt sind. Den unspektakulären Blättern im Bildvordergrund wird die gesamte Aufmerksamkeit geschenkt. Im Gemälde „Jagdstillleben“ (1899) (*14) führt sie die Eleganz eines minutiös arrangierten Stilllebens vor Augen. Der Reiz des Oberflächenglanzpunktes auf dem Jagdhorn oder dem Zinnkrug wird ebenso bravurös hervorgehoben wie das Gefieder der erbeuteten Gans. Bei seinem Besuch in Linz hob Adolf Hölzel dieses Gemälde als vorzüglich hervor und lobte, mit welch „unglaublicher Einfühlung der Geste das höchste Licht nebst Zusammenstellung getroffen wurde“ (*15). Besonders bei Künstlerinnen dieser Zeit nehmen Stillleben mit Blumen, Krügen oder Obst eine dominierende Stellung unter den Bildgattungen ein. Sie gehören auch bei Agathe Schwabenau ins Repertoire. Im „Stillleben mit Gläsern, Silbertablett und Narzissen“ von 1897 (*16) ist die Wiedergabe des Glases mit allen Spiegelungen eine Herausforderung, die sie souverän meistert. 

Wichtige Einflüsse auf ihre malerische Entwicklung gewann sie in München in der dortigen Damenakademie (Dezember 1906 bis 1907/08) und in der Künstlerkolonie Dachau. Ihr intensives Studium bei Künstlern wie Adolf Hölzel und Hans Müller-Dachau, Theodor Hummel und in der Malschule Graumann-Kertz begann (*17).
In ihren Erinnerungen berichtete sie ausschließlich von Dachau, den landschaftlichen Gegebenheiten, dem kollegialen Umgang der  KünstlerInnen und von der Freiheit sich vollkommen der Kunst widmen zu dürfen. „Das intervallweis´ immer wieder nach Dachau zurückkehren gab mir die Selbsterkenntnis und den Blick, das dazwischen Aufgenommene richtig einzuordnen und zu werten. Es war eine herrliche Zeit!“ (*18). Mit Beginn des Ersten Weltkrieges schließt sie das sogenannte „Kapitel Dachau“ ab. 

Neben Gemälden und Grafiken sind in dieser Zeit auch zahlreiche Exlibris, meist für den Familien- und Freundeskreis, entstanden (*19)

In den wenigen bekannten Werken aus der zweiten Schaffenshälfte ist der stilistische Wandel deutlich abzulesen. Der einzeln gesetzte Pinselstrich und eine farblich intensivere Übertragung kennzeichnen die ausgewogen komponierten Szenerien ihrer Gemälde. (Burg Hocheppan, 1919 (*20), Partenkirchen (*21)).
Auf Fotografien, die die Künstlerin im Atelier in München an der Staffelei zeigen, erkennt man relativ großformatige Gemälde, die die thematische Auseinandersetzung mit der Bergwelt sowie dem Stillleben aufweisen. Parallelen zu ihrem Sohn, dem Maler Egon Hofmann-Linz, mit dem sie malend in den Bergen unterwegs war, sind vor allem motivisch zu finden. Beide verbindet die Begeisterung für die Bergwelt, die sie gemeinsam erkunden und in Werken festhalten. Besonders in der Gegend rund um Garmisch-Partenkirchen findet Agathe Schwabenau in den späteren Jahren künstlerische Anregungen. Als Malerin des Hochgebirges nimmt sie eine Sonderstellung unter den Künstlerinnen ihrer Generation ein. Eine stilistische Nähe zu Giovanni Segantini, zu seiner weiten hellen Bergwelt wird ihr von Richard de Crignis anlässlich der Gedenkausstellung nach ihrem Tod attestiert (*22)

Agathe Schwabenaus Werk war lange fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Die Kenntnis ihres Oeuvres und Wirkens konnte zumindest teilweise durch verschiedene Forschungsansätze wiedergewonnen werden. Trotzdem wurde bislang nur ein schmales Oeuvre bekannt. Es gilt weiterhin den Umfang ihrer Arbeiten durch gezielte Nachforschungen zu erweitern. Der Rang ihrer Arbeit rechtfertigt diese Bemühungen. 


Michaela Nagl, Kunsthistorikerin, 2021

*1 Die Bezeichnung Agathe Schwabenau ist das durchgängige Element des Namens. Schwabenau hatte in Folge ihrer Ehen drei Namen: Agathe von Schwabenau, Agathe Hofmann-Schwabenau, Agathe Doposcheg-Schwabenau. 

*2 Linzer Tagespost, 4.8.1872, S.3

*3 Ansicht von Salzburg, 1892, Dorotheum, Auktion 27.2.2018. 

*4 Agathe Doposcheg-Schwabenau schrieb in den 1930er Jahren Erinnerungen an ihr Leben nieder. Eine Kopie ist im Nachlass Hofmann erhalten und wurde im Zuge der Egon Hofmann-Linz Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz 2019-2020 von Elisabeth Pfann transkribiert. Wenn nicht anders angegeben, stammen alle Zitate im Text aus diesen schriftlichen Erinnerungen.

*5 Michaela Pfaffinger, *28. Januar 1863 in Mattighofen; † 9. September 1898 in Linz, erhielt ab 1882 in München ihre Ausbildung bei Robert Poetzelberger.

*6 In: Erinnerungen. 

*7 Linzer Tagespost, 30.4.1899, S. 5.

*8 Wolfgang Hönle, Agathe Doposcheg-Schwabenau: Fünf Zeichnungen aus der Jugendzeit, unveröffentlichtes Manuskript, Ettlingen 2013. Interessant sind bei diesen rein topografischen Ansichten die verschiedenen Signaturen. Die Künstlerin verwendet AHS, Doposcheg-Schwabenau und Schwabenau. 

*9 Im Jänner 1906 hat Agathe Schwabenau einen Antrag um Auswanderungsbewilligung bei der Stadt Wien gestellt. Dank an Norbert Kriechbaum vom OÖ Landesarchiv für diese Recherche.

*10 Agathe Schwabenau signiert ab dieser Zeit mit Doposcheg-Schwabenau, ADS oder Agathe Doposcheg-Schwabenau.

*11 Dorotheum, Auktion 13.6.2016

*12 Nordico Stadtmuseum Linz

*13 Privatbesitz, Abb. In: Sag´s durch die Blume!, Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt. Belvedere 2018. S. 152.

*14 Nachlass Hofmann

*15 In: Erinnerungen, Kapitel: Wie ich Dachau zum ersten Mal sah. o.P.

*16 Schmidt Kunstauktionen Dresden, 23.3.1919

*17 Siehe Wolfgang Hönle: Agathe Doposcheg-Schwabenau – Eine Künstlerin des 19. Und 20. Jahrhunderts, ihre Entwürfe und Exlibris, in: DEG Jahrbuch 2014, Exlibriskunst und Grafik, Frankfurt a.Main, 2014, in Fußnote 26.

*18 In: Erinnerungen, Kapitel: Dachau später, o.P.

*19 Wolfgang Hönle, 2014. E.W.Hofmann, Agathe Doposcheg-Schwabenau, in: Österreichische Exlibris Gesellschaft, XVI. Jahrbuch 1918, S. 1-2.

*20 Privatbesitz Wien

*21 Dorotheum, Auktion 7.11.2017

*22 Richard de Crignis, Erinnerungen an Agathe Doposcheg, in: Tagblatt 17.11.1950 Garmisch-Partenkirchen. Im Nachlass befindet sich ein Foto auf dem Agathe Schwabenau mit Staffelei, Palette und Schirm in einer kargen Berglandschaft malend zu sehen ist. Die Rückseite ist mit Maloja betitelt, jener Ort in dem Segantini mehrere Jahre lebte.